Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz 112 / 2020 erschienen
Von Krisen, Römern und einer Hotel-«Perle»
Der neue Band der «Mitteilungen» des Historischen Vereins erlaubt ein Abtauchen in die vielfältige Geschichte des Kantons Schwyz. Beiträge zu den Spuren aus der Römerzeit im Muotatal, zur Gersauer Geschichte nach 1848, zur Geschichte des Grand Hôtels Axenstein in Morschach und des Regionalspitals Lachen oder zum Pestzug von 1628/1629 warten auf eine interessierte Leserschaft.
hvs. Die Corona-Pandemie zwingt zu akzeptieren, dass nur schon die Planung der nächsten Wochen, geschweige denn eine Vorhersage über die kommenden Monate schwierig bis unmöglich ist. Die Menschheit lebt aber nicht das erste Mal in unsicheren und unruhigen Zeiten. Das belegen die Artikel von Oliver Landolt zur Pest in Schwyz 1628/1629 und von Thomas Fässler zum Kloster Einsiedeln in der Zeit der Französischen und Helvetischen Revolution im 112. Band der «Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz». Der Band vereinigt acht weitere reich bebilderte Beiträge zu Themen aus der Eisen- und Römerzeit bis ins 20. Jahrhundert und ist nah an den originalen archäologischen und (kunst-)geschichtlichen Quellen dran.
Pestabwehr durch Mobilitätseinschränkung
Die Pest hat im Lauf des Spätmittelalters wie auch in der Frühen Neuzeit den heutigen Kanton Schwyz wiederholt heimgesucht. Oliver Landolt geht in seinem Beitrag auf den Pestzug von 1628/1629 ein. Zu den damals getroffenen Pestabwehrmassnahmen gehörte unter anderem die Einschränkung der Mobilität innerhalb der Eidgenossenschaft und des Standes Schwyz. Schwyz warnte bereits früh den Abt von Einsiedeln vor einem möglichen Ausbruch der Seuche und bat den Vorsteher des international bekannten Wallfahrtsortes, Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen. Trotzdem liessen sich Todesfälle aufgrund der Pest und auch eine zweite Pestwelle nicht verhindern. Immerhin: Die gesundheitspolitischen Massnahmen trugen dazu bei, dass die Pestepidemie Schwyz relativ milde traf.
Ein Kloster im Sturm der Revolution
Die Beziehungen des Klosters Einsiedeln zu verschiedenen Adelshäusern war Ende des 18. Jahrhunderts eng. Der Abt war Fürstabt und hatte dem Deutschen Kaiser die Treue zu schwören. Die Französische Revolution von 1789 bedeutete vor diesem Hintergrund für die Gemeinschaft der 93 Mönche einen grossen Einschnitt. Die Folgejahre führten zu einer neuen Weltordnung, die auch am Kloster nicht spurlos vorbeiging, wie Thomas Fässler in seinem Beitrag zeigt. Einsiedeln wurde zum Ziel von Flüchtlingen der Französischen Revolution – und damit auch zum Symbol des Widerstandes gegen die Revolution. Dies führte nicht zuletzt zu Spannungen mit dem Stand Schwyz. Diese verstärkten sich mit den Jahren – und führten während der Helvetischen Revolution 1798 zur Flucht der Mönche ins Ausland. Erst nach 1801 kehrten diese zurück.
Kloster im Sturm der Revolution: Truppenaufzug von französischen Soldaten und Schweizer Bauern (rechts) in Einsiedeln, um 1800. Im Hintergrund ist eine Phantasiedarstellung des Stifts mit Gnadenkapelle im klassizistischen Stil zu sehen. (Bild: Privatsammlung, Einsiedeln)
Römische Spuren im Muotatal
Befunde aus der Eisen- und der Römerzeit sind in den voralpinen Regionen relativ selten. Die Forscher um Urs Leuzinger und Walter Imhof, die seit 20 Jahren das Muotatal archäologisch untersuchen, haben nun Spuren auf menschliche Aktivitäten aus dem 2. Jahrhundert vor Christus bis ins 4. Jahrhundert nach Christus gefunden. Die sieben Fundstellen deuten auf eine sommerliche Bestossung der Gebiete hin, womit belegt werden kann, dass vor und nach Christi Geburt auch ausserhalb der allgemein bekannten Siedlungszonen im innerschweizerischen Voralpenraum mit einer Nutzung der Landschaft zu rechnen ist.
Die «Perle» Grand Hôtel Axenstein
In der so genannten Belle Époque wurden in der Zentralschweiz zahlreiche Luxushotels eröffnet. Dazu gehörte das 1869 eröffnete Grand Hôtel Axenstein in Morschach, dessen Geschichte im Zentrum des Beitrags von Michèle Steiner steht. Anhand von Reiseberichten und Quellen sowie auf der Basis ihrer Maturaarbeit zeigt die Autorin auf, dass das Hotel als «Gast- und Kurhaus ersten Ranges» geschätzt wurde, welches die «Prämissen» eines Luxushotels im 19. Jahrhundert – eine aussichtsreiche Lage, Komfort und eine Gartenanlage mit Spazierwegen – erfüllte. Deutlich wird aus dem Beitrag auch, dass ein augenfälliger Kontrast zwischen der Gesellschaft im «Luxusdampfer» Axenstein und dem Leben in der Standortgemeinde Morschach bestand.
Das Regionalspital Lachen in seiner Entwicklung
Eine Masterarbeit von Johanna Bregenzer steht am Ursprung ihres Beitrags zum Regionalspital Lachen. Die Geschichte von Regionalspitälern ist wenig aufgearbeitet. Umso wertvoller ist die Darstellung, die sich mit der Entstehung und der weiteren Entwicklung des Spitals sowohl in baulicher als auch betrieblicher Art befasst. Im Zentrum stehen die drei Bauphasen 1912–1915, 1964–1967 und 1988–1995. Deutlich wird, dass die Entwicklung der Medizin respektive der Behandlungsmethoden zu einer Professionalisierung bei der Planung und Erstellung der Spitalanlagen führte. Für die Autorin bemerkenswert ist das grosse Mitspracherecht der Bevölkerung gerade in den Anfangsjahren.
Gelebte Herrschaft
Die Entwicklung des Länderorts Schwyz von seinem «Kern» im Talkessel von Schwyz zum heutigen Kanton Schwyz ist wissenschaftlich in den grossen Zügen aufgearbeitet und die bis 1798 oder gar 1848 rechtlich ungleiche Stellung innerhalb der Standes-/Kantonsgrenzen mittlerweile Allgemeingut. Im Detail stellen sich aber noch viele Fragen. Wie übte Schwyz seine Herrschaft konkret aus? Was hiess das für das Leben und Wirtschaften in den angehörigen Landschaften? Virginia Wyss hat dies in ihrer Masterarbeit und nun in ihrem Beitrag in den «Mitteilungen» für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts insbesondere auf der Basis der ersten Ratsprotokolle aufgearbeitet. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Landschaften Rechte und Freiheiten, die sie auf ihrem Territorium vor der verstärkten Einflussnahme durch Schwyz etabliert hatten, in den meisten Fällen beibehalten konnten.
Gersau nach 1848
Wussten Sie, dass Gersau erst seit 1867 von Brunnen her mit einer Strasse erschlossen ist? Und dass selbst die Erstellung dieser für uns heute selbstverständlichen Verbindung viele Jahre grossen Einsatzes von Seiten der Gersauer Bevölkerung und Politik bedurfte? Oder dass das erste Schulhaus von Gersau 1873 eingeweiht wurde? Diese und andere Informationen lassen sich dem Werkstattbericht von Albert Müller entnehmen. Müller wertet zahlreiche Quellen aus und liefert einen vielfältigen Einblick in die Geschichte von Gersau in den Jahren 1848 bis 1948. Dabei kommen auch die wirtschaftliche Entwicklung oder die Situation von Gersau während den Weltkriegen zur Sprache.
Zeige mir das Dach …
… und ich sage Dir, wer die Kirche erbaut hat. Es sind nicht nur Altäre, Gemälde oder Stuckaturen, welche uns Hinweise auf die Erbauer von Kirchen geben, sondern auch Dachkonstruktionen. Martin Gantner, der ein grösseres Forschungsvorhaben zu Dachwerken in spätbarocken Saalkirchen durchführt, zeigt anhand der katholischen Kirchen in Tuggen und St. Gallenkappel SG respektive Wollerau und Feusisberg, wie auch Dachwerke Hinweise auf die Architekten und Baumeister liefern können. Die «Mitteilungen» bieten auch für solch spezialisierte Beiträge ein Forum.
Dach «verrät» Kirchenbauer: Das Langhausdachwerk der 1782 aufgerichteten Pfarrkirche St. Verena in Wollerau stammt von Niklaus Purtschert, einem der bedeutendsten spätbarocken Baumeister der Zentralschweiz. (Bild: Martin Gantner, ETH Zürich)
Denkmalpflegebericht wieder da
Erstmals seit 2012 beinhalten die «Mitteilungen» wieder einen Denkmalpflegebericht. Monika Twerenbold und Pascal Marx orientieren über die Arbeiten respektive Planungen am Rathaus Schwyz, beim Zeughausareal Seewen, an der ehemaligen Eisenbahnbrücke auf Rigi-Unterstetten (Gemeinde Arth), dem Bauernhaus Eumatt in Sattel und dem Schlössli im Zentrum von Lachen.
Bijou im Zentrum von Lachen: Das restaurierte Schlössli – hier die Südfassade mit Treppenvorbau, wohl vor 1900 errichtet – stammt im Kern aus dem 16. Jahrhundert. (Bild: Denkmalpflege Kanton Schwyz)
Martina Kälin-Gisler hat in Band 111 der «Mitteilungen» eine umfassende Darstellung zu den Schwyzer Klosterfrauen bis 1848 präsentiert. Dazu gehörten auch Tabellen mit den einzelnen bekannten Ordensfrauen. Aufgrund von Rückmeldungen erfolgt nun eine Ergänzung dieser Tabellen.
Die Bibliografie von Markus Rickenbacher, Martina Kälin-Gisler und Oliver Landolt zu den zu Schwyzer Themen 2017 erschienenen Publikationen darf auch heuer nicht fehlen.